Dieser Blog präsentiert eine Auswahl verschiedener Texte von mir. Die Herangehensweise ist multilingual und interdisziplinär. Die Themen sind international und betreffen vor allem Nachhaltigkeit, Wirtschaft, Politik und soziale Aspekte.
Viel Vergnügen! - JJ Bürger -

Ce blog rassemble une séléction de mes textes. L'approche est plurilingue et interdisciplinaire. Les sujets sont internationaux et concernent notamment la durabilité, l'économie, la politique et certains aspects sociaux. Bonne lecture! - JJ Bürger -

Thursday, February 17, 2011

Projekt « Halbzeitvegetarier » - Tagebuch der ersten beiden Wochen (1.2. bis 14.2.)

Durch eine Freundin wurde ich auf das Projekt „Halbzeitvegetarier“ aufmerksam gemacht, das vor kurzem startete. 


Auf wundersame Weise verbindet dies verschiedene Themen, die mich ohnehin ständig beschäftigen: Umwelt, nachhaltige Entwicklung, soziale Verantwortung über freiwilliges Engagement, Europa-Projekte… und das Vereinen von rational und ethisch reflektierten und intuitiv-irrationalen Wesensseiten des Menschen
Sehr schnell war mein Interesse an dieser Herangehensweise geweckt. Die Idee ist, sich mit jemandem zusammenzutun, und als Projektteam den gemeinsamen Fleisch- und Fischkonsum zu halbieren – da ein volles Vegetarierdasein oft viele Leute davon abschreckt, überhaupt über dieses Thema nachzudenken. Durch das Halbieren jedoch kann ein bewusster Umgang angeregt werden, ohne gleich in kompletten Verzicht zu münden. Das Thema des bewussten Umgangs mit dem Fleisch- und Fischkonsum finde ich auch deshalb äußerst spannend, weil wir ohnehin höchstwahrscheinlich gesellschaftlich und individuell zu einem weitaus bewussteren Genuss all der Dinge kommen müssen, die wir auf verschiedene Wege konsumieren (dazu gehört natürlich auch Fernseh-, Internet-, aber zum Beispiel auch Bücher- und Sportkonsum), wenn wir die Chancen und Gefahren des 21. auch nur annähernd begreifen wollen. Gut, das führt jetzt etwas weit – doch es geht auch ganz konkret: Laut Zeit.de hat noch 1980 der Deutsche im Durchschnitt circa 30kg Fleisch im Jahr gegessen – während es heute ungefähr 88kg sind! Die Probleme der industriellen Produktion von Tiernahrungsmittel, sind allseits bekannt – sie führen ab und zu mal wieder zu einem von den Medien sogenannten Skandal, der dann aber ebenso schnell wieder vergessen wird. Wohin stecken wir indes die (im Vergleich zu 1980) dreifache Menge Fleisch, die wir jedes Jahr essen? Die Vermutung liegt nahe, dass sie uns nicht zum höheren Genuss gereicht, sondern dass sie im Gegenteil einfach heruntergeschluckt wird und gar nichts besonderes mehr ist – im Unterschied zum früher zelebrierten Sonntagsbraten (hier der sehr zum Thema passende Link zu zeit.de).

Abgesehen von diesen Überlegungen hatte ich nach einer langen Prüfungsphase, die zudem mit der winterlichen Vielesserei zusammenfiel, Lust, jetzt wieder mehr auf eine ausgewogene Ernährung zu achten. Warum da nicht das Halbzeitvegetarierprojekt als strukturierendes Element verwenden? Eine in Kiel wohnende Freundin und ich entschlossen uns, uns für dieses Projekt zu „verpartnern“. Auf Grund des auf beiden Seiten sehr verbreiteten Stresses jedoch konnten wir es nicht sofort schaffen, uns ausführlich über unseren Fleischkonsum und das Projekt auszutauschen. Diese Offenbarung kam leider erst später!

Auf Facebook indes war gleich in den ersten Tagen des Projektstarts von www.halbzeitvegetarier.de eine wilde Debatte entbrannt: überzeugte Vegetarier und Veganer fühlten sich einerseits angegriffen durch verschiedene Formulierungen des Projekts, und verurteilten andererseits die Zielsetzung des Projektes. Letztere beschönige ihres Erachtens den Konsum von Fleisch und Fisch, und vermittle den Eindruck, man würde etwas Gutes tun, während sich in Wahrheit allerdings nichts ändere. Ich habe diese Debatte interessiert verfolgt, kann aber für mich als Fazit festhalten, dass ich dieses Projekt letztlich doch absolut sinnvoll finde. Denn erstens geht es ja darum, überhaupt erst einmal einen bewussteren Zugang zur Nahrung aufzubauen. Und zweitens ist ja gerade nicht gesagt, dass man seinen Verzehr nur einmal halbiert und dann auf dem halbierten Niveau verbleibt! Bei Gefallen kann man ja den Fleischkonsum durchaus öfter halbieren! Diese Vorgehensweise erscheint mir durchaus sinnvoll; als selbstkritischer Mensch bin ich natürlich in der Lage, mein Urteil über dieses Projekt auch in einem anderen Licht zu sehen: vielleicht will ich es ja sinnvoll finden, weil ich für eine wirklich radikal entschlossene Aktion nicht konsequent genug bin? Doch selbst in Anbetracht dieser Überlegung: noch radikalere Nahrungsumstellungen kommen bei mir momentan nun einmal einfach nicht in Frage.



So habe ich meinen Teil des Projektes angefangen… und war zunächst einmal irritiert. Denn diesen Monat habe ich auch ein Praktikum in Paris begonnen – und dort gehört der Gang mit den Kollegen in die Firmenkantine einfach dazu. Spezifisch vegetarische Gerichte sind dort aber eher selten. Und ohnehin wäre es schwierig, den französischen Kollegen Vegetarismus zu erklären – dieses Konzept ist hier öffentlich viel weniger präsent als in Deutschland. So sah ich mich mindestens einmal pro Tag mit einer ordentlichen Portion Fisch oder Fleisch konfrontiert – wodurch sich mein Konsum gewissermaßen gleich zu Projektbeginn sehr gesteigert hat, anstatt zu sinken. Man soll sich ja nun nicht darüber beschweren, dass man ordentlich zu Essen bekommt; ich finde es oft befremdlich, wenn manche glauben, über einen qualitativ wirklich guten Service für die Mitarbeiter notorisch herummäkeln zu müssen. Aber es war schon komisch zu sehen, wie schwierig es plötzlich sein kann, einer bestimmten Kategorie von Produkten zu entfliehen! Jedenfalls dachte ich mir, dass für mich unter diesen Umständen „Halbzeitvegetarier“ in der Tat viel eher Erfolg verspricht als ein zu kategorischer Nahrungswandel. Noch dazu, weil ich in der Periode der Eingewöhnung in ein neues Praktikum gar nicht die Zeit, Lust und Energie hätte, komplizierte Strategien zu befolgen, um Fleisch komplett von meiner Nahrung zu streichen!
Bestimmt könnte ich also ab und zu etwas Fleischloses erwischen – aber eben nicht unbedingt täglich. Außerdem gab es auch Gerichte, die sich schon von ganz allein als kompromissfähig empfehlen; zum Beispiel gab es einmal eine sehr leckere Pizza, auf der nur zwei winzige Sardellen waren. Ein anderes Mal hingegen gab es übrigens ein mittelgroßes Thunfischfilet, das ganz grässlich schmeckte). Und für das Halbieren des Fleischkonsums wäre ja vielleicht auch noch meine Projektpartnerin zu bedenken – falls sie einen so hohen Fleischkonsum hat, dass mein Konsum kaum ins Gewicht fällt, müsste ich mich ja nicht weiter anstrengen…

… Diese (etwas faule und selbstbetrügerische) Möglichkeit fiel jedoch ins Wasser, als ich meine Kieler Freundin endlich am Telefon erwischte: Sie eröffnete mir, dass sie bereits vor dem Projekt nur noch circa zwei Mal pro Monat Fleisch und Fisch aß, und dass ein noch größerer Verzicht ihr äußerst schwer fallen würde. Ich entgegnete, dass das Projekt dann ja nur noch wenig Sinn hätte für sie. Das räumte sie auch durchaus ein; allerdings wollte sie das Projekt durchaus unterstützen. Somit frage ich mich jetzt, wie und mit wem ich das Projekt jetzt weiterführe.




Dies waren die konfusen Anfänge eines Vorhabens, mit dem ich zu einer bewussteren Ernährung kommen wollte. Der Schritt des Bewusstmachens hat auf jeden Fall funktioniert; wie jedoch soll ich das Projekt weiterführen? Mit wem? Und mit welcher Methodologie?
Ungeachtet dieser Fragen, die sich gewiss noch aufklären werden, habe ich jedoch am Ende dieser ersten beiden Wochen problemlos ein fleischloses Wochenende verbracht, an dem ich sehr viel für die Uni getan habe, und mich deshalb mit einer sehr verlässlichen Größe des schmackhaften, fleischlosen Fastfoods ernährt: Tortellini mit Käsefüllung, Kräutern und Olivenöl.


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