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Wednesday, September 28, 2016

Energie im "Garden State" New Jersey

Von JJB

Kürzlich wurde an dieser Stelle bereits auf die Energiepolitik im US-Bundesstaat New York eingegangen. Nun sollen auch einige der Nachbarstaaten einmal näher beleuchtet werden.

Besonders interessant ist dabei unter anderem der Bundesstaat New Jersey, bekannt auch unter dem Beinamen "The Garden State". In der Tat ist die Landwirtschaft traditionell ein wichtiger Wirtschaftszweig in New Jersey, wenngleich sie seit einigen Jahren zunehmend auch mit Problemen konfrontiert ist, wie zum Beispiel steigende Grundstückspreise.

Siegel des Bundesstaats New Jersey. Die beiden Figuren sind eine Allegorie auf die Freiheit (links) und Ceres (rechts), die römische Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit. Auch die drei Pflüge in der Mitte des Siegels zollen der landwirtschaftlichen Tradition des Bundesstaates Respekt. Quelle: Offizielle Homepage des Bundesstaats New Jersey


Vielleicht hat es auch mit diesen Problemen zu tun, dass die Solarkraft in New Jersey wesentlich weiter vorangeschritten ist als beim Nachbarstaat New York (ähnliche Effekte sind auch in Deutschland und Europa zu beobachten, wo zahlreiche Landwirte auf Erneuerbare Energien als zusätzliche Verdienstquelle setzen).

Ausbau der Erneuerbaren Energien in New Jersey - zu schnell oder zu langsam?

In jedem Fall hat sich die Anzahl installierter Photovoltaik-Anlagen seit 2010 stark erhöht, von mehreren zehn MW pro Jahr auf mehrere hundert MW pro Jahr. Dieser Anstieg wurde sogar als so stark erachtet, dass einige der Subventionen bereits stark abgesenkt oder gestoppt wurden.

Laut der amerikanischen Solar Energy Industries Association waren im Jahre 2015 immerhin 1,8 GW an Photovoltaikanlagen in New Jersey installiert (davon übrigens über 1,4 GW gewerblich und weniger als 0,4 GW im Haushaltsbereich) - und zusätzliche 1,9 GW werden in den nächsten 5 Jahren erwartet. Dementsprechend dürfte die Gesamtkapazität in New Jersey zum Ende des Jahres 2020 dann knapp 4 GW betragen, etwa gleichauf mit dem Nachbarstaat New York.
Sicher, in diesem Zukunftsszenario beliefe sich New Jerseys Photovoltaik im Jahr 2020 weiterhin nur auf ein Zehntel der in Deutschland bereits 2014 installierten Photovoltaik-Kapazität; jedoch ist bei diesem Vergleich auch zu bedenken, dass Deutschland mit seinen Photovoltaikinstallationen international eher eine Ausnahme darstellt, und außerdem wesentlich mehr Strom verbraucht als New Jersey.

Laut dem im vorigen Artikel bereits genannten Informationsportal, welches sich wie erwähnt auf das Jahr 2015 zu berufen scheint, hatte die Photovoltaik einen Anteil von 2% an der Stromerzeugung.
Allerdings waren Wind- und Wasserkraft gänzlich abwesend, so dass der Gesamtanteil der Erneuerbaren in New Jersey mit 3% nicht höher, sondern niedriger war als die stolzen ca. 20% des Bundesstaats New York. Im selben Jahr betrug der Anteil der Kohle 2% und der Kernkraftanteil 20%, während der Hauptanteil der Stromerzeugung New Jerseys mit 75% bei Gaskraftwerken lag.

New Jersey besitzt ein Zertifikatesystem, welches Stromversorger dazu verpflichtet, einen gewissen Teil der Stromlieferungen durch Erneuerbare Energien abzudecken (oder sich ansonsten durch Strafzahlungen - "alternative compliance payments" - freizukaufen). Dieses System sieht ab 2014 einen Erneuerbaren-Anteil von über 10% vor, der bis 2020/21 sogar auf 22,5% steigen soll. Demzufolge wäre der genannte Erneuerbaren-Anteil von 3% deutlich zu niedrig für die Zwischenziele des Bundesstaates New Jersey. Eine andere US-Quelle auf Bundesniveau (die später, im Artikel über Connecticut und Pennsylvania detaillierter besprochen werden soll) spricht im Falle New Jerseys übrigens eher von einem Erneuerbaren-Anteil von knapp 6%, was jedoch auch noch zu niedrig wäre. Ein Blick auf die Compliance-Berichte New Jerseys zeigt allerdings, dass die Strafzahlungen der Stromversorger für zu niedrige Erneuerbaren-Anteil meist vernachlässigbar gering waren. Diese Diskrepanz ließe sich unter anderem durch veraltete Zahlen in den obengenannten Quellen erklären, doch spielt es wohl durchaus auch eine Rolle, dass Grünstromzertifikate auch für Eigenverbrauch vergeben werden, also für Erneuerbaren-Strom, den die Endverbraucher lokal erzeugen und direkt verbrauchen. Diese Option reduziert, ebenso wie der zeitversetzte Eigenverbrauch ("net metering"), die Stromrechnung der Verbraucher und könnte erklären, dass nicht jede Stromerzeugung von Erneuerbaren Energien auch in den Marktstatistiken des Bundesstaates New Jersey erfasst wird.
Insofern könnte der wahre Erneuerbaren-Anteil in New Jersey tatsächlich eher bei circa 10% liegen. Dennoch ist leicht vorstellbar, dass die Abwesenheit einer klaren, leicht auffindbaren, eindeutigen Referenz für den kontinuierlichen Fortschritt des Erneuerbaren-Ausbaus in New Jersey nicht eben zuträglich ist für die energiestrategische Planung der verschiedenen privatwirtschaftlichen und politischen Akteure.

Doch eine neue Reform, die möglicherweise auch die Ausbauziele klarer nachvollziehbar werden lassen könnte, ist bereits in Arbeit.
Im März 2016 wurde in New Jersey ein Gesetzesvorschlag diskutiert, demzufolge in dem Bundesstaat der Erneuerbaren-Anteil an der Stromversorgung bis 2050 80% betragen soll. Um dies zu erreichen, soll sichergestellt werden, dass der Erneuerbaren-Anteil alle 5 Jahre um 10 Prozentpunkte steigt - basierend auf der Hypothese einer Ausgangslage von 11% im Jahr 2017. In ersten parlamentarischen Gremien fand dieser Gesetzesvorschlag breite Unterstützung, jedoch bleibt seine endgültige Verabschiedung noch abzuwarten (zumal ein ähnlicher Vorschlag 2015 ebenfalls die ersten parlamentarischen Hürden überwunden hatte, dann aber letztlich an mangelnder Unterstützung scheiterte).
Auch im Oktober 2016 befindet sich dieser Gesetzesvorschlag, ebenso wie mehrere andere energiepolitische Vorschläge, die neben Erneuerbaren auch Kohle und Gas betreffen, weiterhin im Gesetzgebungsverfahren.

Fazit und Ausblick

Zusätzlich zu diesen großen politischen Zielsetzungen wären noch viele weitere Faktoren in Erwägung zu ziehen, um die Machbarkeit der energiepolitischen Strategien zu überprüfen, vor allem in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit von Energieinvestionen. Hierfür müsste der derzeitige Stand und die zukünftige Entwicklung von Faktoren wie Staatsbeihilfen, technologischer Fortschritt, Rohstoffpreise, Kapitalkosten und Endverbraucher-Energiepreise abgeschätzt werden.
Eine solche detaillierte Darstellung des jeweiligen Entwicklungspotenzials verschiedener Energietechnologien, samt Rentabilitätsberechnung, kann im Rahmen dieses Blogs nicht erstellt werden, da es die vorhandenen Zeitressourcen deutlich übersteigen würde (wie bereits im Blogbeitrag zur Energie im Bundesstaat New York erwähnt). In dieser Blogserie soll lediglich die energiepolitische Ausgangslage der verschiedenen Bundesstaaten umrissen werden, um weitergehende Vergleiche und standortübergreifende Diskussionen zu erleichtern und anzuregen.

Am Beispiel New Jerseys jedenfalls wird einerseits deutlich, dass schon die energiepolitische Zielsetzung problematisch sein kann, wie die langjährige Diskussion im Gesetzgebungsverfahren zum zukünftigen Erneuerbaren-Ausbau zeigt. Und andererseits wird ebenfalls deutlich, dass es nochmals schwieriger ist, in der Praxis den konkreten Erneuerbaren-Ausbau so zu steuern wie es die energiepolitischen Ziele (sofern vorhanden und für alle Akteure hinreichend eindeutig und langfristig verlässlich) vorgeben. Diese Probleme existieren ebenfalls in der Energiepolitik europäischer Länder... Ebenso wie gewisse, auf beiden Seiten des Atlantiks kontrovers diskutierte Fragen - etwa die Frage, wie der Boom der Photovoltaik in der ersten Hälfte des 2010er Jahrzehnts zu bewerten sei.
Es bleibt zu hoffen, dass der Dialog und der Erfahrungsaustausch zwischen den verschiedenen Standorten beitragen zu einer schrittweisen Lösung dieser Probleme der energiepolitischen Steuerung.