Während in Deutschland Vorschläge zu einem Kohleausstieg innerhalb der nächsten Jahrzehnte trotz des Pariser Klimavertrages weit davon entfernt sind, politisch mehrheitsfähig zu werden, wurde im amerikanischen Bundesstaat New York im Januar diesen Jahres der Ausstieg aus der Kohleverstromung bereits für 2020 beschlossen, nachdem bereits 2015 ein umfassendes Energiereformprogramm verabschiedet wurde.
Muss sich Deutschland im internationalen Wettstreit um den Titel des weltweiten Klimaschutzvorreiters nun also auch mit dem US-Bundesstaat New York messen?
Nun, wie so oft sollte man auch in dieser Frage differenziert vorgehen. So decken beispielsweise Kohlekraftwerke derzeit lediglich 2 bis 4% des New Yorker Stromverbrauchs ab (vgl. nachfolgenden Abschnitt); des Weiteren befinden sich laut UtilityDive nur noch drei Kohlekraftwerke im Bundesstaat New York, von denen eines zum Ende des Jahres ohnehin abgeschaltet werden dürfte. Dies ist kaum zu vergleichen mit dem Anteil von 24%, den allein die Braunkohle am deutschen Stromverbrauch 2015 hatte, wobei hier auch noch der zusätzliche Anteil der Steinkohle von 18% hinzugerechnet werden muss - von der Bedeutung der Arbeitsplätze in der Kohleförderung ganz zu schweigen.
Im Hinblick auf Klimaschutz hat Deutschland also in der Tat noch mehr Fragen im Bezug auf Kohleverstromung zu klären als der Bundesstaat New York. Doch umgekehrt startet New York auch von einer anderen Ausgangslage, aus der es weniger problematisch sein mag, komplett aus der Kohleverstromung auszusteigen. Ein Vergleich beider Standorte nur anhand der Kohle-Frage erscheint wenig sinnvoll, angesichts dieser beiden grundsätzlich verschiedenen Ausgangslagen.
Deshalb lohnt es sich durchaus, ebenfalls einen genaueren Blick zu werfen auf einige weitere Aspekte der Energiepolitik des Bundesstaates New York, der sich und seine internationale Strahlkraft als "Empire State" nun den erneuerbaren Energien zu widmen scheint.
Andrew M. Cuomo, im November 2014 wiedergewählt als Gouverneur des Bundesstaates New York. Quelle: Cuomo |
Bestandsaufnahme - Ambitionierte Energieplanung... und Wasserkraft als bisheriger Haupttreiber unter den Erneuerbaren
Der "New York State Energy Plan" aus dem Jahre 2015, im Verbund mit dem Reformprozess "Reforming the Energy Vision (REV)", definiert folgende Ziele für den Bundesstaat New York, die bis 2030 zu erreicht werden sollen:
- Eine Absenkung der CO2-Emissionen in Höhe von 40% im Vergleich zu 1990 (zum Vergleich: der nationale "Clean Power Plan" der USA, aus dem Jahre 2014, verlangt eine CO2-Reduktion in Höhe von 30% bis 2030 - allerdings basierend auf den Werten von 2005 statt 1990).
- Ein Erneuerbaren-Anteil von 50% an der Stromerzeugung.
- Eine Absenkung in Höhe von 23% des Energieverbrauchs in Gebäuden, im Vergleich zu 2012.
Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesstaaten, unter anderem Connecticut, Pennsylvania und New Jersey, besitzt New York kein Programm, das Stromversorger dazu verpflichtet, einen (über die Jahre kontinuierlich steigenden) Anteil ihrer Stromlieferungen aus erneuerbaren Energien zu decken. Stattdessen werden Betreiber, die Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen und im Großhandelsmarktgebiet des "New York Independent System Operator" (NYISO) veräußern, direkt gefördert von der "New York State Energy Research and Development Authority" (NYSERDA). Hierin ähnelt der Bundesstaat New York also eher dem deutschen Vergütungssystem, während viele andere US-Staaten Zertifikatesysteme verwenden, die meist näher an dem Modell sind, das lange Zeit in Großbritannien vorherrschte.
Laut dem "NYISO" belief sich im Jahr 2015 der Anteil der Erneuerbaren Energien auf 23% der Stromversorgung des Bundesstaats New York. Eine andere offizielle Quelle weist detaillierte Zahlen auf (allerdings ohne das genaue Jahr zu nennen), nämlich einen Anteil der Wasserkraft von 16%, des Weiteren einen Anteil von 2% der Windkraft und ebenfalls 2% aus der Bioenergie-Stromerzeugung sowie 1% für "andere" Quellen. Der Anteil von Solarkraft und Geothermie beläuft sich auf 0%. Dies bedeutet einen Erneuerbaren-Anteil von mindestens 20% (Unterschiede zu den 23% laut NYISO könnten sich ergeben durch Rundung, durch verschiedene Jahreszahlen, oder auch durch unterschiedliche Methodik in der Ermessung der jeweiligen Anteile; siehe auch Fußnote* für weitere Anmerkungen zu Statistiken der Wasserkraft und Bioenergien).
Interessant hierbei ist ebenfalls, dass laut selbiger Quelle die eingangs erwähnte Kohlekraft mit einem Anteil von nur 2% einen sehr geringe Bedeutung hat, während Gas (50%) und Kernkraft (27%) dominieren. Auch laut anderen Informationsquellen ist der Anteil der Kohle in New York gering, etwa 4% laut UtilityDive. Außerdem ist innerhalb der Erneuerbaren nur die Wasserkraft stark ausgeprägt - bei dieser jedoch ist das meiste Potenzial in Industriestaaten oft bereits weitgehend erschlossen worden. Es dürfte also schwierig werden, wollte man sich allein auf die Wasserkraft verlassen, um den Anteil der Erneuerbaren bis 2030 auf 50% zu erhöhen (siehe Fußnote* für weitere Anmerkungen zu Statistiken der Wasserkraft und Bioenergien).
Weitere Wachstumsmöglichkeiten - Wie steht es um die anderen Erneuerbaren?
Laut dem "Energy Plan" hat sich die Solarkraft in New York State zwischen 2010 und 2014 mehr als vervierfacht - jedoch lediglich von 24 MW (2010) auf 106 MW (2014), also immernoch circa 400 mal weniger als die Kapazität zu diesem Zeitpunkt in Deutschland installierte Photovoltaik.
Die amerikanische Solar Energy Industries Association hingegen weist für New York im Jahr 2015 eine PV-Kapazität von 803 MW aus, und spricht von einer Wachstumserwartung von zusätzlichen 3007 MW in den nächsten 5 Jahren. Wenn der Staat New York dementsprechend Ende 2020 tatsächlich rund 4 GW an Photovoltaik installiert haben sollte, wäre dies sicherlich eine beachtliche Wachstumsrate... die sich jedoch, auch aufgrund der niedrigen Sonneneinstrahlung, bis 2030 noch erheblich weiter beschleunigen müsste, um einen maßgeblichen Beitrag zu dem Ziel von 50% Erneuerbaren bis 2030 leisten zu können.
Bezüglich der Windkraft erwähnt der genannte NYISO-Bericht eine heutige Gesamtkapazität von 1,7 GW, und vergleicht diese mit einer "proposed capacity" von 3,7 GW. Falls dieser Vorschlag tatsächlich in die Tat umgesetzt wird, wäre dies sicherlich immerhin ein erster Schritt. Doch für eine Erhöhung des Erneuerbarenanteils auf 50% bis 2030 ist dies noch vollkommen unzureichend.
Die Offshore-Windkraft wird übrigens im "New York State Energy Plan" ebenfalls erwähnt, allerdings nicht unbedingt im Sinne von konkreten Ausbauzielen, sondern eher als ein Thema, das weiterer Forschung und Diskussion bedarf.
Fazit und Ausblick
Es ist also unklar, ob die ambitionierten Ziele des Bundesstaates New York bis 2030 tatsächlich erreicht werden können.
Dies verweist auf eine ganz entscheidende Frage: welche konkreten Ziele setzt sich die Politik (auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene) - und welche Mittel will sie einsetzen, um diese Ziele zu erreichen? Bei unzureichendem wirtschaftlichen Anreiz werden die meisten Investoren wohl kaum in ausreichendem Maße in die politisch gewünschte Energieinfrastruktur investieren.
Sicherlich spielen auch idealistische Motive eine Rolle, und gewiss kann der technologische Fortschritt die Kosten der gewünschten Energieinfrastruktur senken. Aber es ist dennoch eine ganz zentrale Frage, welche finanziellen Mittel die verschiedenen politischen Instanzen für welche konkreten Ziele aufwenden werden.
Wie effektiv die Antwort des Bundesstaates New York auf diese Frage sein wird, kann an dieser Stelle kaum abschließend geklärt werden. Dennoch soll dieser Themenkomplex in den Blogeinträgen der folgenden Monate weitergehend behandelt werden, um weitere Einsichten in dieses vielschichtige Thema zu erhalten.
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* Fußnote bzgl. Wasserkraft und Bioenergien: laut einer anderen offiziellen Quelle erreicht die Wasserkraft im Staat New York sogar einen Stromversorgungsanteil von fast 30% und Bioenergien einen Anteil von über 10%, so dass der Bundesstaat auf einen Erneuerbaren-Anteil von rund 45% kommen könnte. In der Tat schwankt die Stromerzeugung durch Wasserkraft jährlich, auf Grund von meteorologischen Einflüssen. Der prozentuale Anteil variiert zudem noch dadurch, dass die Stromerzeugung des restlichen Kraftwerkparks, der Stromverbrauch und die Import/Export-Bilanz sich ebenfalls ändern können. Da diese Quelle jedoch nur prozentuale Erneuerbaren-Informationen enthält, ohne GWh-Zahlen, ohne konventionelle Energien und noch dazu ohne Jahresangabe, wird sie in dieser Blogserie nicht als Hauptreferenz verwendet. Zur Beurteilung der Bioenergie-Statistiken siehe auch den späteren Artikel über die Bundesstaaten Connecticut und Pennsylvania.